Livemitschnitt: (ca 2:15 h) OPERATION SPRING – SOS-Mitmensch fordert Wiederaufnahme – Justizministerium wird nicht aktiv
Alle Verfahren neu aufrollen
SOS Mitmensch: Jetzt keine Fehler mehr, sonst ist Glaube an
Rechtsstaatlichkeit dahin
Aus Anlass der „Gesprächsrunde“ zur Operation Spring im Bundesministerium
für Justiz erneuert die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch die
Forderung nach der Wiederaufnahme der betreffenden Verfahren durch die
Staatsanwaltschaft. „Die Republik sollte sich jetzt keinen Fehler mehr
leisten, sonst ist der letzte Glaube an faire Verfahren für Afrikaner
dahin“, erklärt Philipp Sonderegger, Sprecher von SOS Mitmensch. Insgesamt
sind seit 1999 über hundert Afrikaner im Zuge der Aktion verurteilt worden.
Ein präparierter anonymer Zeuge, ein unfähiger Dolmetscher und
verschwommenes Überwachungsmaterial dienten als Beweise für teilweise
drakonische Strafen. Nach Auskunft des Justizministeriums gab es bislang
lediglich eine Überprüfung im Hinblick auf den präparierten Zeugen. „Wir
wünschen uns eine Überprüfung aller Urteile unter Berücksichtigung aller
fragwürdiger Beweise“, regt Sonderegger eine umfassende Sanierung der Causa
an.
Die „Gesprächsrunde“ wurde von Justizminister Gastinger für Dienstag
Nachmittag einberufen, um ministeriumsintern die weitere Vorgangsweise in
der Causa abzuklären. Dies nachdem Gastinger sich die Dokumentation
„Operation Spring“, die derzeit im Kino zu sehen ist, mit einigen
Spitzenbeamten Montag abends zu Gemüte geführt hatte. Die Dokumentation
stellt die Frage, ob Angeklagte nach der größten Polizeiaktion gegen
Afrikaner eine Chance auf ein faires Verfahren hatten und führt bei den
Kinobesuchern zu teilweise empörten Reaktionen. Selbst mit der Materie
Vertraute sind erschüttert, da der Film minutiös Bausteine zusammenfügt, die
das Bild einer unkritischen Justiz ergibt, die nahezu unhinterfragt zu
beweisen versucht, was die Polizei vorgelegt: Die Konstruktion einer
internationalen Drogenmafia mit Sitz in einem Wiener Chinarestaurant. Dies
vor dem Hintergrund der massiven Kritik an der Exekutive in Folge des
getöteten Schubhäftlings Markus Omofuma und des hohen Erfolgsdruck für die
auf Probe eingeführten erweiterten Ermittlungsmethoden.
Veranstaltungshinweis
Operation Spring – Polizei, Justiz und die Folgen
Eine Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung zur justizpolitischen
Dimension der umstrittenen Polizeiaktion
Mit: Phillip Bischof, Anwalt; Viktor Eggert, BMJ; Manfred Herrnhofer,
Richtervereinigung; Heinz Patzelt, amnesty; Angelika Schuster,
Filmemacherin; Simon Kravagna, Moderation. Mittwoch, 12. Oktober 2005, 18.30
Uhr. Juridicum, Hörsaal U10, Schottenbastei 10-16, 1010 Wien.
Die Reaktion des Justizministeriums ließ nicht lange auf sich warten:
Ministerium sieht keinen Grund, aktiv zu werden
Das österreichische Justizministerium sieht derzeit keinen Grund, von sich
aus aktiv zu werden und eine Neuaufnahme der Verfahren zur „Operation
Spring“ zu veranlassen. Das ist laut Christoph Pöchinger, Sprecher von
Ministerin Karin Gastinger das Ergebnis einer Expertenrunde im
Justizministerium am Dienstag.
Noch ein laufendes Verfahren
Pöchinger betonte gegenüber der APA, dass es noch ein laufendes Verfahren
gegen den mutmaßlichen Kopf der Bande gebe. In diesen Prozess im Wiener
Straflandesgericht gegen den mutmaßlichen Drogenboss Emmanuel C. „wollen wir
auf keinen Fall präjudizierend eingreifen“. Das Urteil soll am 24. November
gefällt werden. Andererseits gebe es in den übrigen Fällen, so Pöchinger,
„rechtskräftige Urteile“: „Und es gibt für uns keinen Grund, daran zu
zweifeln.“ Weiters gab der Gastinger-Sprecher zu bedenken, dass bisher
keiner der Betroffenen von sich aus eine Wiederaufnahme des Verfahrens
beantragt habe. In dem Dokumentarfilm werde „die belastende Seite
ausgespart“, sagte Pöchinger. Man müsse aber auch diese Seite beleuchten.
Und das habe in den bisherigen Verfahren zu den gültigen Urteilen geführt.
(Quelle – Online Standard: http://derstandard.at/?id=2204954)
Wir sind schon gespannt, was die bisherigen BesucherInnen des
Dokumentarfilmes OPERATION SPRING zu dieser Stellungnahme meinen.
Von unserer Seite nur einige kurze Anmerkungen:
1.) Wir haben uns nicht viel anderes als Reaktion aus dem Justizministerium
erwartet.
2.) Der Hinweis, dass bislang Verurteilte von sich aus keine Wiederaufnahme
der Verfahren beantragten, erscheint uns aufgrund der Tatsache, welche
Erfahrungen die Betroffenen mit der Justiz machten, geradezu zynisch.
3.) Im Film OPERATION SPRING werden Schritt für Schritt die damaligen
belastenden Hauptbeweismittel (Lauschangriff, Übersetzungen, anonymisierte
Zeugen, Hochrechnungen) in Frage gestellt.
Wenn seitens des Justizministeriums nunmehr verlautbart wird, dass die
„belastende Seite ausgespart“ bleibt, nehmen wir das etwas ratlos zur
Kenntnis. Nachvollziehbar ist diese Sichtweise für uns in keinster Weise.
4.) Hinter den Kulissen hat sich im Umkreis des Justizministeriums in den
letzten Tagen vieles ereignet und wir wissen, dass die nun veröffentlichte
Stellungnahme seitens des Ministeriums nicht auf ungeteilte Zustimmung im
Justizapparat stößt.
Es wäre ein Zeichen der Zivilcourage, wenn sich auch aus diesem Umfeld
kritische Stimmen öffentlich zu Wort melden.
Es liegt nunmehr wiederum an der kritischen Zivilgesellschaft, die
zuständigen Stellen an ihre politische Verantwortung zu erinnern.
All jene, die sich eine eigene Meinung dazu bilden wollen, raten wir zu
einem Kinobesuch in den nächsten Tagen und Wochen.
Informationen rund um den Film unter: www.operation-spring.com
Wir verbleiben mit der Bitte um Veröffentlichung / Weiterleitung.
Etwaige Mehrfachzusendungen bitten wir zu entschuldigen.
Sindelgruber Tristan, Schuster Angelika
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