22 – Ina Friedmann (Innsbruck) Die Verabreichung des Hormonpräparates Epiphysan (1952-1980) durch Maria Nowak-Vogl
Die Verabreichung des Hormonpräparates Epiphysan (1952-1980) durch Maria Nowak-Vogl.
Ina Friedmann (Innsbruck)
Die Heilpädagogin und Kinderpsychiaterin Maria Nowak-Vogl leitete die Kinderbeobachtungsstation des A.ö. Landeskrankenhauses Innsbruck von 1954, dem Jahr der offiziellen Gründung, bis zu ihrer Pensionierung 1987. Die Kinderbeobachtungsstation war aus dem 1947 eingerichteten „Kinderzimmer“ an der Psychiatrischen Frauenstation der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik hervorgegangen, wo Nowak-Vogl bereits 1952 begonnen hatte, minderjährigen PatientInnen das Hormonpräparat Epiphysan zur Bekämpfung von (vermeintlichem) sexuellen Fehlverhalten durch Injektionen zu verabreichen. Nowak-Vogl, die dieses Präparat durch beinahe 30 Jahre hindurch bei Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 16 Jahren anwendete, konnte zu Beginn ihrer Versuche auf keinerlei Erfahrungswerte hinsichtlich der Behandlung von Minderjährigen zurückgreifen. Dass bis 1957 nach ihrer eigenen Angabe bereits 32 PatientInnen von ihren Epiphysan-Versuchen betroffen waren, zeugt nicht allein von einer an der Kinderbeobachtungsstation durchgeführten Versuchsreihe, sondern zugleich von dem ausgeprägten Wunsch im damaligen Fürsorgesystem nach einem zuverlässigen Schutz vor kindlicher und jugendlicher Sexualität. Die Dimension des Eingriffs in die Körper der betroffenen PatientInnen war beträchtlich und geschah meist ohne Information der Minderjährigen oder deren (Pflege-)Eltern. Allein das Jugendamt wurde im Fall einer Vormundschaft einbezogen. Nowak-Vogls „Auswahlkriterien“ der PatientInnen, die ihrer Ansicht nach mit Epiphysan zu behandeln waren, können auf Basis von Krankenakten und Publikationen ebenso nachvollzogen werden, wie die konkreten Gründe, die zu dieser medikamentösen Bekämpfung unerwünschter Sexualität führten. Darüber hinaus nahmen bereits wenige Jahre nach Einführung der Hormonbehandlung an der Kinderbeobachtungsstation regionale Einrichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge diese Praxis in ihr Maßnahmenrepertoire auf und forderten diese Medikation in der Folge eigeninitiativ für manche der unter ihrer Obhut stehenden Minderjährigen. In den bisher bekannten Fällen war Nowak-Vogl stets als „Expertin“ auf diesem Gebiet involviert.
Medikalisierte Kindheiten – Die neue Sorge um das Kind vom ausgehenden 19. bis ins späte 20. Jahrhundert
Zur Sendereihe StationFREIRAD
Zur StationÄhnliche Beiträge
- Der letzte Schrei aus der Sendereihe „Der letzte Schrei“ 04.06.2012 | Orange 94.0
- „Neue Autorität – Stärke durch Beziehung“ Vortrag und Interview... aus der Sendereihe „Fokus Bildung – Bildung im Fokus“ 03.06.2012 | Freies Radio Salzkammergut
- Schallmooser Gespräche #40: Kinder aus der Sendereihe „Schallmooser Gespräche“ 13.03.2012 | Radiofabrik
- Groteskophonische Hirnurinalien aus der Sendereihe „Der letzte Schrei“ 01.12.2011 | Orange 94.0
- Interkulturelle Erziehung aus der Sendereihe „Wiener Radiobande“ 19.11.2011 | Orange 94.0
- Andreas Altmann: Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter... aus der Sendereihe „Das rote Mikro: Literatur“ 14.11.2011 | Radio Helsinki
- Daniela Meisel: „Die Seherin“ aus der Sendereihe „Literarisches Cafe“ 25.06.2010 | Orange 94.0
- Interkulturelle Erziehung? aus der Sendereihe „RADIODIALOGE 2009“ 19.08.2009 | Gemeinschaftsprogramme
- Partizipation als Postulat zwischen politischer Rhetorik und pädagogischem Programm... aus der Sendereihe „O-Ton“ 27.06.2009 | Radio Helsinki
- Anna und das Anderele. Eine Recherche aus der Sendereihe „Context XXI“ 09.06.2009 | Orange 94.0