13 – Hemma Mayrhofer und Katja Geiger (Wien) Verwahrung und Verdinglichung. Kinder mit Behinderungen am „Steinhof“ nach 1945
Verwahrung und Verdinglichung. Kinder mit Behinderungen am „Steinhof“ nach 1945.
Hemma Mayrhofer und Katja Geiger (Wien)
In zwei Jahren Forschungsarbeit untersuchte das IRKS im Auftrag des Wiener KAV Pavillon 15 „Am Steinhof“. Anhand dieser empirischen Studie wird im Tagungsbeitrag exemplarisch rekonstruiert, wie die geschlossene Psychiatrie bis in die 1980er Jahre zur gesellschaftlichen „Entsorgung“ von als „bildungsunfähig“, „verhaltensauffällig“ und für medizinische Forschung uninteressant eingestuften Kindern genutzt wurde. Die Ergebnisse machen auf breiter Datenbasis sichtbar, wie die auf Pavillon 15 untergebrachten Kinder einem weitgehenden Verdinglichungsprozess ausgesetzt waren, für den die vorherrschenden medizinisch-psychiatrischen Deutungsschemata das entsprechende Überzeugungssystem bereitstellten. Sie waren verknüpft mit einer sozialen Praxis, die von Distanzierungs- und Entpersönlichungsstrategien des Personals gegenüber den Kindern geprägt war. Letztere wurden tendenziell lediglich als empfindungslose Objekte wahrgenommen, ihnen widerfuhr eine umfassende Vernachlässigung bzw. multiple Deprivation. Als zentrale Entlastungsstrategie des Personals zeigt sich der großzügige Einsatz freiheitsbeschränkender Mittel: Neben sedierenden Medikamenten kamen physische Beschränkungen in Form von Netzbetten, Zwangsjacken und anderen Fixierungen in großem Ausmaß zur Anwendung, um sich eine soziale Betreuung weitgehend zu ersparen und einen „störungsfreien“ Stationsalltag zu gewährleisten. Massiv gefördert wurden diese gewalttätigen Praktiken durch eine völlig unzureichende Personal- und Ressourcenausstattung und eine daraus resultierende permanente Überforderung der Pflegekräfte. Im Beitrag soll das Gewaltsystem auf Pavillon 15 anhand ausgewählter Fallrekonstruktionen zu einst dort untergebrachten Kindern verdeutlicht werden. Dabei wird neben der Unterbringung auf Pavillon 15 auch der Weg auf den „Steinhof“ mitberücksichtigt, an dem u. a. die „Abschiebepolitiken“ anderer Institutionen und die Definitionsmacht von Sachverständigengutachten sichtbar werden.
Moderation: Lisa Pfahl, Innsbruck
Medikalisierte Kindheiten – Die neue Sorge um das Kind vom ausgehenden 19. bis ins späte 20. Jahrhundert
Zur Sendereihe StationFREIRAD
Zur StationÄhnliche Beiträge
- Der letzte Schrei aus der Sendereihe „Der letzte Schrei“ 04.06.2012 | Orange 94.0
- „Neue Autorität – Stärke durch Beziehung“ Vortrag und Interview... aus der Sendereihe „Fokus Bildung – Bildung im Fokus“ 03.06.2012 | Freies Radio Salzkammergut
- Schallmooser Gespräche #40: Kinder aus der Sendereihe „Schallmooser Gespräche“ 13.03.2012 | Radiofabrik
- Groteskophonische Hirnurinalien aus der Sendereihe „Der letzte Schrei“ 01.12.2011 | Orange 94.0
- Interkulturelle Erziehung aus der Sendereihe „Wiener Radiobande“ 19.11.2011 | Orange 94.0
- Andreas Altmann: Das Scheißleben meines Vaters, das Scheißleben meiner Mutter... aus der Sendereihe „Das rote Mikro: Literatur“ 14.11.2011 | Radio Helsinki
- Daniela Meisel: „Die Seherin“ aus der Sendereihe „Literarisches Cafe“ 25.06.2010 | Orange 94.0
- Interkulturelle Erziehung? aus der Sendereihe „RADIODIALOGE 2009“ 19.08.2009 | Gemeinschaftsprogramme
- Partizipation als Postulat zwischen politischer Rhetorik und pädagogischem Programm... aus der Sendereihe „O-Ton“ 27.06.2009 | Radio Helsinki
- Anna und das Anderele. Eine Recherche aus der Sendereihe „Context XXI“ 09.06.2009 | Orange 94.0